Freitag, 12. Oktober 2007

Der Al

Als ich heute laß, dass Al Gore den halben Friedensnobelpreis erhalten wird musste ich zunächst einmal lächeln. Ich dachte, das mal wieder einer der Großen abkassiert während sich seit vielen vielen Jahren tausende Aktivisten für die gleiche Sache, den weltweiten Umweltschutz, abrackern.

Nun habe ich etwas länger darüber nachgedacht und halte schließlich die Entscheidung für bemerkenswert wenn nicht sogar für gut.
Warum? Weil es letzlich nur große Veränderungen gibt wenn man Persönlichkeiten hat, die die Notwendigkeit einschneidender Maßnahmen mit großer Geste öffentlichkeitswirksam durch die Medien tragen. Al Gore ist so eine Persönlichkeit. Und er tut dies nun schon seit vielen Jahren. Es hat sich den Umweltschutz nicht auf die Fahne geschrieben um sich permanent selber ins Rampenlicht zu stellen sondern er nutzt seine bereits vorhandene Popularität aus um Menschen für den Klimaschutz zu gewinnen die sonst taub bleiben würden. Er tut dies übrigens nicht nur im Großen sondern experimentiert schon seit vielen Jahren im Kleinen auf seiner Ranch mit alternativen Methoden beispielsweise in der umweltschonenden Düngung von Pflanzen etc.

Hinzu kommt ein weiterer wichtiger Punkt: Al Gore ist US-Amerikaner. Und es Bedarf eines Umlenkens der US-Politik im Bezug auf nachhaltige Klimapolitik wenn sich wirklich etwas ändern soll. Dieser Wandel vollzieht sich, wenn man genauer hinschaut, langsam aber stetig. Dies ist mit ein Verdienst von Al Gore. Daher ist es wichtig, ihm mit diesem renommierten Preis den Rücken zu stärken. Noch ein Punkt: Dieser Preis ist ein weiteres Stilett welches dem konservativen Klientel rund um George W. Bush jr. tief ins Fleisch dringen wird und sie darauf hinweist, dass Sie letzlich nicht weiterhin mit Ignoranz reagieren können sondern sich an die Ziele, die Al Gore vertritt annähern werden müssen - auch wenn G.W.B. heute bei seinem einzigen öffentlichen Auftritt das Politikum Al Gore geflissentlich ignoriert hat. So sind sie halt - wie Kinder.

Der letzte Punkt: Das Nobelpreis-Komitée war weitsichtig genug neben Al Gore eine weltweit operierende Organisation zu würdigen die auf der anderen Seite des Klimaschutzes steht. Es sind nicht die Menschen der großen Gesten sondern die Fachleute des stetigen Wandels.

Daher Chapeau!

Loacker, Tasnim Sauvignon Blanc, 2006, Südtirol

Heute mittag las ich im Newsfeed von Wein-Plus, dass es dort eine vierteilige Reihe zu biologischem Weinanbau in Südtirol geben wird und man mit Rainer Loacker beginnt weil man mit ihm beginnen muß, konsequenter Weise, da er in Südtirol damals der Vorreiter war, vor fast dreissig Jahren. Damals belächelt, wie so oft die Avantgarde, gehört er heute mit zur Spitze der Weinszene dort.

Begonnen hat er, weil er sein Leben umstellen wollte nach schwerer Krankheit und nicht weitermachen wollte mit seiner Teilhabe an einer erfolgreichen Süßwarenfabrik. Da die Homöopathie ihm geholfen hatte, so Loacker, seine Krankheit zu besiegen und er ein großer Weinliebhaber war begann er sich mit dem der Homöopathie verbandelten Feld der Biodynamik auseinander zu setzen. Er ist diesen Weg letzlich konsequent gegangen, trotz allem schlechten Gerede, trotz aller Rückschläge die es mit sich bringt wenn man erst mal keine oder doch wenig Ahnung hat. Das macht ihn mir sympathisch. Was man von Homöopathie hält oder nicht bleibt jedem selbst überlassen. Ich bin damit aufgewachsen und habe Situationen und Krankheitensverläufe erlebt, in denen homöopathische Medikamente bei mir Erstaunliches bewirkt haben. Ob man dies nun einerseits und die Biodynamik andererseits als Humbug ansieht ist nebensächlich denn eines muss man den Biodynamikern zugestehen: Sie gehen sehr sorgsam mit der Natur um, schätzen die Produkte ausserordentlich und alles, was auf dem Weg zu diesen Produkten führt. Und das kann nicht falsch sein.

Auch in diesem Falle nicht. Der Artikel heute Nachmittag hat mich dazu gebracht eine der raren Flaschen Tasnim in den Kühlschrank zu stellen, schon einige Tage bin ich darum herum scharwentzelt. Heute also eine der zehn Flaschen die ich mir weggelegt habe von den 500 die es lediglich für den deutschen Markt gibt.

tasnim loacker sauvignon blanc

Ich habe eine viertel Flasche des Weines in einen Dekanter geschüttet und aus der Karaffe strömte direkt ein betörender Duft eines exotischen Obstsalates. Mir schossen Bilder aus meinem Thailandurlaub – immerhin schon sieben Jahre zurückliegend – durch den Kopf. Kobulon Le, diese winzige Insel in der Andamannen-See wo wir häufig den Tag begonnen haben mit einem Salat reifer Papayas und Mango. Dazu ein wenig der für Sauvignon Blanc typischen Stachelbeere, Holunder und Honig.

Ich musste einen Schluck probieren bevor ich meinen Sohn zu Bett gebracht habe und dieses Fruchtbouquet setzte sich am Gaumen fort, wunderbar ausgeglichen, expressiv mit 14 Prozent Alkohol, schwer aber nicht zu sehr, nicht so aufgesetzt wie mancher Sauvignon Blanc aus Neuseeland oder Kalifornien sondern mit feiner, komplexer Struktur. Göttertrank!

Als ich meinen Sohn zu Bett brachte fragte er mich, was ich im Mund hätte und ich meinte, ich hätte nichts im Mund, wonach ich denn riechen würde und er sagte, ich würde nach Mango riechen und tatsächlich, dieser eine Schluck hatte meinen ganzen Mund noch viele Minuten später mit Mango ausgefüllt.

Um die Schwelgerei nun zu einem Ende zu bringen kann ich nur feststellen, dass dieser Tasnim für mich die Referenz darstellt, für mich – und nur davon kann ich reden – ist es bisher das beste Beispiel dafür, was man aus dieser Rebsorte herausholen kann.

Und warum Tasnim? Im Koran heißt es: »Auf weichen Diwanen ruhend blicken sie um sich; voll Freude trinken sie reinen, gut versiegelten Wein, dessen Satz schierer Moschus ist; [...] ein Wein gemischt mit Wasser der Quelle Tasnim, an der sich die Beglückten erquicken [...] und es warten Ihrer die schwarzäugigen Huris, keusch wie verborgene Perlen, als Lohn für ihre Taten.«
Und Loacker: »Die Überschreitung des Verbotes Wein zu trinken bedeutet im Koran bei Lebzeiten Sünde, nach dem Tode - im Paradies - träumt man vom Genuss des Weines, verdünnt mit Wasser aus der Quelle Tasnim. Beim Trinken unseres Tasnim Sauvignon blanc erleben wir die Sensation eines beinahe paradiesischen Trunkes. Aus diesem Grunde haben wir diesem Wein den Namen Tasnim gegeben.«

Allesverloren Shiraz 2005 und so weiter

Ich arbeite sehr gerne abends. Wenn ich meinen Sohn ins Bett gebracht habe nachdem wir den Nachmittag zusammen verbracht haben setze ich mich so gegen Acht wieder an den Schreibtisch. Ich kann das tun, da ich im Wesentlichen von zu Hause aus arbeite.
Nun hatte ich mir angewöhnt des Abends dann auch eine Flasche Wein zu öffnen oder den Rest vom Vortag ins Glas zu schütten. Ich dachte, es ist gemütlicher, es arbeitet sich leichter, ja beschwingter und wenn man eh kreativ sein soll baut der Wein Barrieren ab.
Jetzt habe ich das nach den Sommerferien mal sein lassen. Ich trinke nur noch an den Wochenenden und da auch nicht mehr als vorher. Ich schlafe besser und stehe erfrischter auf. Auch wenn ich abends praktisch nie mehr als zwei Gläser getrunken habe habe ich mich an dieses Ritual schnell gewöhnt und es hat mir letzlich nicht gutgetan. Nun mache ich die Flaschen also am Wochenende auf. Und die darf dann ruhig mal was teurer sein.

Ich habe so das Gefühl, dass ich Weine immer besser verstehe und nach 13 Jahren Weininteresse langsam dahin komme mich ans Auserlesenere zu wagen. Ich habe mir damit Zeit gelassen, bewußt. Ich habe mir lange klare Grenzen gesetzt, was ich für Wein ausgebe und was nicht. Ich bin nun dabei die Grenzen etwas hoch zu schrauben und zu schauen, was sich in den oberen Preisregionen so bietet was ich unten nicht finde.
Ich mache mir keine Illusionen. Dort findet sich genauso viel überteuerter Hip-Hop-Wein wie im unteren Preissegment auch. Und es wird gleichzeitig ärgerlicher. Ich habe nur das Gefühl, dass ich es mittlerweile wirklich würdigen kann, wenn ein Wein, der wirklich gut gemacht ist und aus der Masse hervorsticht dann auch viel kostet. Denn ich weiss, wieviel Arbeit es sein kann, solch einen Wein herzustellen. Und wieviel Zuneigung des Winzers zu seinem Wein es noch zusätzlich bedarf.

Darüber schreibt übrigens Mario Scheuermann in seinem neuen Buch sehr anschaulich. Ich habe erst wenige Kapitel gelesen und mag es gerne was er schreibt. Es ist nicht nur fundiert sondern leicht, es ist nicht reisserisch sondern essayistisch. Und es macht mich manchmal traurig, dass letztlich für ihn die großen Weine, also die, an denen sich alles andere orientieren muss, die sind, die ich nie trinken werde.

Aber was soll es. Es gibt auch für meinen Geldbeutel immer wieder etwas Schönes zu endecken. Wie eben kürzlich schon angedeutet die Rieslinge von Florian Weingart. Oder die neue Generation biodynamisch ausgebauter Rieslinge von Dr. Bürklin-Wolf. Eine Begegnung mit dem ersten Wein der neuen alten Schule, genannt Ruppertsberg Riesling 2003 beschreibtauch Herr Scheuermann in oben erwähntem Buch.

Ach ja, und da war da noch gestern Abend das Gefühl, außer der Reihe doch mal wieder eine Flasche aufmachen zu wollen – mitten in der Woche. Und warum sollte ich diesem Gefühl nicht nachgeben?

Ich habe einen 2005er Allesverloren Shiraz geöffnet und dekantiert. Vorab aber mal direkt einen Schluck ins Glas geschüttet da ich wissen wollte wie er sich entwickelt.

Zuerst natürlich sehr verschlossen, eher ruppige Tannine und Holz. Das hatte ich nicht anders erwartet.
Relativ schnell aber öffnet sich dieser rubinrote Tropfen. Er ist weit weniger ein Ungetüm als ich erwartet hatte. Weder sticht das Holz zu stark heraus, noch wirkt er schwer und undurchschaubar. Nicht schwarzrot wie so mancher Australier, eher ein dunkles Rubin. Auch die Frucht wird mir nicht um die Ohren geknallt und den Alkohol rieche ich kaum heraus. Obwohl er 14.5% Vol. besitzt!

Nach einer halben Stunde Belüftung ist es ein anderer Wein. Schwarzer Pfeffer steigt mir in die Nase und ein klein wenig Johannisbeere. Der Holzton ist fast verschwunden bis auf einen letzten Hauch Vanille. Der Wein jedoch sollte auch gar kein Eichenholzmonster werden. 30 % des Weines sechs Monate in neuen Barriques haben genügt um diese Struktur zu erreichen.

Und er hat wirklich eine schöne Struktur. Also, bin ich vom Schreibtisch aufgestanden, habe mir Mario Scheuermanns Buch genommen und mich in den Sessel gesetzt.

Der Wein ist einer der wirklich schönen Shiraz. Er kommt mir viel eher französisch vor als Neue-Welt. Die Franzosen sind allerdings meist noch ein bisschen ruppiger, würziger und wenn es ein guter gemachter Chateauneuf ist oder ein Hermitage, dann ist das noch mal eine Welt für sich. Mir fällt dabei ein, dass ich im letzten Jahr mal einen Hermitage »La Chapelle« von Jaboulet probieren durfte. Und das ist für mich seit dem das Maß der Dinge was den Syrah angeht.
Aber es ist nicht schlimm, dass der Allesverloren diese Tiefe und diesen Charakter nicht hat. Der Wein schmeichelt ohne zu gefällig zu sein. Er ist gut strukturiert, vielschichtig und war einfach gut dazu geeignet meinen Tag ausklingen zu lassen. Und für einen Preis um die 10 bis 12 Euro ist der Wein wirklich ein Schöner.

Abschweifung: Weinläden
Abschweifungen
Abschweifungen, Web
Abschweifungen: Süssweine
bordeaux
Chile
Exkurs: Rebsorten
Impressum
Mixtouren
Rhone
Rotwein Italien
Rotweine
Rotweine Deutschland
Rotweine Spanien
Spanien
Südafrika
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren